Biocentrismus (vom Griechischen: βίος bios „Leben“ und κέντρον kentron „Zentrum“) — auch bekannt als das biocentrische Universum — ist eine Theorie, die 2007 vom amerikanischen Wissenschaftler Robert Lanza vorgeschlagen wurde. In dieser Sichtweise stehen Leben und Biologie im Zentrum des Seins, der Realität und des Kosmos — das Leben erschafft das Universum, nicht umgekehrt. Der Biocentrismus behauptet, dass die heutigen Theorien über die physische Welt nicht funktionieren und auch niemals funktionieren können, solange sie das Leben und das Bewusstsein nicht vollständig berücksichtigen.
Lanzas biocentrische Theorie baut auf der Quantenphysik auf. Während die Physik als grundlegend für das Verständnis des Universums gilt und die Chemie als grundlegend für das Verständnis des Lebens, stellt der Biocentrismus die Biologie über alle anderen Wissenschaften, um eine „Theorie von allem“ zu schaffen.
Die Rezeption von Lanzas Theorie ist gemischt. Kritiker haben infrage gestellt, ob die Theorie falsifizierbar ist. Lanza argumentiert, dass zukünftige Experimente, etwa mit großskaliger Quantenüberlagerung, die Theorie entweder bestätigen oder widerlegen werden.
Theorie
Lanza verweist auf das Primat des Bewusstseins, das bereits bei Denkern wie Descartes, Kant, Leibniz, Berkeley, Schopenhauer und Bergson erkennbar ist.
Er sieht darin eine Unterstützung seiner zentralen Aussage, dass Raum und Zeit Formen der sinnlichen Wahrnehmung von Lebewesen sind, nicht äußere, eigenständige physische Objekte.
Der Biocentrismus, so Lanza, biete Einsichten in mehrere ungelöste Rätsel der Wissenschaft, etwa in Heisenbergs Unschärferelation, das Doppelspalt-Experiment und die feine Abstimmung der Naturkonstanten, die unser Universum und unsere Wahrnehmung bestimmen.
Wie es in einem Artikel des Magazins Discover (basierend auf Lanzas Buch) heißt:
„Der Biocentrismus bietet einen vielversprechenderen Weg, alle Bereiche der Physik miteinander zu vereinen – ein Ziel, das Wissenschaftler seit Einsteins erfolglosen Vereinheitlichungsversuchen vor acht Jahrzehnten verfolgen.“
Die sieben Prinzipien des Biocentrismus nach Robert Lanza
1. Was wir als Realität wahrnehmen, ist ein Prozess, der unser Bewusstsein einbezieht.
Eine „äußere“ Realität – wenn sie existierte – müsste in Raum existieren.
Aber das ist bedeutungslos, denn Raum und Zeit sind keine absoluten Realitäten, sondern Werkzeuge des menschlichen und tierischen Geistes.
2.Unsere äußeren und inneren Wahrnehmungen sind untrennbar miteinander verwoben.
Sie sind zwei Seiten derselben Münze und können nicht voneinander getrennt werden.
3.Das Verhalten subatomarer Teilchen – ja, aller Teilchen und Objekte – ist untrennbar mit der Anwesenheit eines Beobachters verbunden.
Ohne ein bewusstes Beobachten existieren sie höchstens als unbestimmte Zustände von Wahrscheinlichkeitswellen.
4.Ohne Bewusstsein verweilt „Materie“ in einem unbestimmten Wahrscheinlichkeitszustand.
Ein Universum, das dem Bewusstsein vorausgegangen wäre, hätte nur als Möglichkeit, nicht als Wirklichkeit existiert.
5.Die Struktur des Universums lässt sich nur durch Biocentrismus erklären.
Das Universum ist auf das Leben abgestimmt – was vollkommen logisch ist, da das Leben das Universum hervorbringt und nicht umgekehrt.
Das „Universum“ ist somit die vollständige raum-zeitliche Logik des Selbst.
6.Zeit existiert nicht unabhängig von der Wahrnehmung lebender Wesen.
Sie ist der Prozess, durch den wir Veränderungen im Universum empfinden.
7.Raum ist ebenso wie Zeit kein Objekt oder „Ding“.
Raum ist eine weitere Form unseres tierischen oder menschlichen Verständnisses und besitzt keine unabhängige Realität.
Wir tragen Raum und Zeit mit uns, wie Schildkröten ihre Schale.
Daher gibt es kein absolutes, in sich bestehendes Gerüst, in dem physische Ereignisse unabhängig vom Leben stattfinden.
Die Entwicklung unseres Weltbildes
In der Astronomie war das geozentrische Modell (auch Geozentrismus oder ptolemäisches System) die überholte Theorie, nach der die Erde im Zentrum des Universums steht und alle Himmelskörper sie umkreisen.
Das folgende Bild zeigt ein altes Beispiel dieser Vorstellung:
Später entstand der Heliozentrismus, also das Modell, in dem die Erde und die Planeten um eine stationäre Sonne kreisen.
Historisch stand der Heliozentrismus im Gegensatz zum Geozentrismus, der die Erde ins Zentrum stellte.
Die vatikanischen Archive zeigen, dass Galilei verboten war, den Heliozentrismus in irgendeiner Weise zu lehren – ob Galilei dieses Verbot jedoch kannte, ist umstritten.

In der Philosophie bezeichnet der Idealismus jene Richtung, die behauptet, dass die Wirklichkeit – oder zumindest alles, was wir erkennen können – grundsätzlich geistig oder immateriell ist.
Erkenntnistheoretisch äußert sich Idealismus als Skepsis gegenüber der Möglichkeit, etwas vom Geist Unabhängiges zu erkennen.
Ontologisch geht der Idealismus noch weiter: Er erklärt, dass alle Dinge letztlich geistiger oder seelischer Natur sind.
Damit lehnt er materialistische und dualistische Theorien ab, die dem Geist keine Priorität geben.
Der Biocentrismus steht somit in der Tradition des Idealismus, erweitert ihn jedoch in die naturwissenschaftliche Ebene.
Er sagt, dass nicht Materie die Grundlage des Bewusstseins ist, sondern Bewusstsein die Grundlage der Materie.
Damit kehrt er das Verhältnis um und eröffnet ein Weltbild, in dem Leben und Geist nicht Nebenprodukte des Kosmos sind, sondern dessen eigentliche Quelle.
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