Wenn es darum geht, anzudeuten, dass man über etwas nachdenkt, zeigen die meisten mit dem Finger auf ihren Kopf. In anderen Kulturen berührt man stattdessen den Brustkorb und deutet auf das Herz. Meiner Erfahrung nach dauert es etwa zehn Jahre, um ein Weltbild wirklich zu verstehen, und weitere zehn Jahre, um völlig darin aufzugehen. Ist dieser Prozess abgeschlossen, zeigt man nicht mehr mit dem Finger, berührt nicht mehr die Brust, sondern beobachtet die Umgebung – und erkennt darin ein Konstrukt, das Teile der eigenen Gedanken enthält und bewahrt.
Als 1954 in Italien das Fernsehen eingeführt wurde, die RAI (Radiotelevisione Italiana), wollten einige ältere Herren den kleinen Menschen im Kasten etwas zu essen anbieten. Das erscheint uns heute unglaublich naiv. Wir belächeln es – aber wie hätten wir an ihrer Stelle reagiert? Unterhaltung bestand damals aus Geschichten, die man sich am Kamin erzählte. Viele waren erfunden, einige wahr, manche geschickt mit Wahrheit und Fantasie verwoben.
Es gibt dokumentierte Fälle von Menschen, die kaum Gehirnmasse besitzen und dennoch normal denken können. 2007 wurde ein solcher Fall veröffentlicht: In Frankreich unterzog man einen Beamten mit einem IQ von 75 einem CT-Scan. Überraschenderweise stellte sich heraus, dass Hirnflüssigkeit 90 % seines Gehirns ersetzt hatte – übrig war nur eine dünne Schicht. Dennoch führte er ein selbstständiges Leben, war verheiratet und hatte Kinder. Doch wo befinden sich seine Gedanken? Wo werden sie gespeichert?
Kehren wir zurück zum Beispiel des Fernsehers. Fragt man Kleinkinder, woher die Bilder und Töne kommen, zeigen sie auf das Innere des Geräts – woher sonst sollten die lustigen Bilder stammen? Später erfährt man, dass die Informationen von einer zentralen Sendeanstalt übertragen werden. Spätestens als wir als Kinder unsere Eltern dabei beobachteten, wie sie die Antenne drehten und wendeten, bis das Rauschen verschwand und die Sendung endlich klar zu sehen war, bekamen wir eine erste Ahnung von der Natur des Fernsehens. Das Wort „Fern-Sehen“ sagt doch schon alles.
In der Traumaforschung ist bekannt, dass Gewebe Informationen speichern kann. Daher neigen viele dazu, eine scheinbar logische Erklärung heranzuziehen: dass verschiedene Formen von Gewebe in unserem Körper die Gedanken speichert. Doch diese Erklärung hält nur so lange stand, bis eine Reihe von Erfahrungen diese Vorstellung infrage stellt.
Wie kann Materie etwas speichern, das einem Sonnenuntergang in Sardinien im Jahr 1990 entspricht? Wie können Atome – egal wie viele – das gewaltige Spektrum der Emotionen bewahren, die man dabei durchlebte? Man nennt es Qualia – die subjektive Empfindung, das Erleben. Qualia sind kontextbezogen, sie verweben das Äußere mit dem Inneren. Eine Erinnerung ist daher etwas Neues innerhalb der Existenz. Unser Körper erzeugt lediglich einen Schlüssel, der auf dieses Konstrukt verweist – ein Hyperlink zu etwas viel Größerem.
Wenn ich mich nicht mehr an eine URL erinnere, suche ich danach – sei es in einer Suchmaschine oder in meiner Favoritensammlung, meinem externen Gedächtnis. Ein Teil meiner Erinnerung enthält einen Zeiger auf das, wonach ich tatsächlich suche. Das Innere und das Äußere arbeiten zusammen, um das Ganze wiederherzustellen.
Dann zeige ich auf etwas, das nicht in mir ist, sondern außerhalb von mir. Die Zeiger richten sich nach außen – auf meine Freunde, meine Familie, meine Bekannten, meine Arbeitskollegen. Sie wissen etwas, und ich weiß, dass sie es wissen. Durch Fragen kann ich mich an dieses Wissen wieder erinnern. Die Frage ist der Zeiger. Doch wer ein Trauma erlebt hat, stellt bestimmte Fragen nicht mehr – das Erlebte wird tabuisiert. Es entsteht eine Lücke, eine Blockade.
Wer es schon einmal erlebt hat, weiß, wie heftig die Reaktion einer traumatisierten Person sein kann, wenn man etwas berührt, das auf ihr Trauma hindeutet. Eine plötzliche körperliche Abwehrhaltung, aggressive oder vollkommen unlogische Antworten – man wird sofort in die Schranken gewiesen. Natürlich hängt die Intensität der Reaktion vom Trauma ab. Ein Autounfall ist nichts im Vergleich zu einer Vergewaltigung. Symbolisch betrachtet errichtet die betroffene Person eine dichte Thuja-Hecke als Sichtschutz um ihr inneres Gebäude. Dieses geistige Konstrukt kann so stark werden, dass es schließlich körperliche Entsprechungen hervorbringt.
Dr. Immanuel Velikovsky schrieb einst ein Buch mit dem Titel Menschheit im Gedächtnisschwund. Darin beschreibt er, wie die Menschheit als Ganzes – als Kollektiv – ein Trauma durchlebt hat und dieses gemeinsame Trauma zu verdrängen versucht. Stattdessen wurden Mythen genutzt, um das Wenige, das an die Oberfläche gelangte, einzufangen. Mythen sind demnach die Symptome der Verdrängung einer kollektiven Erfahrung.
Wie zu erwarten, waren die Reaktionen auf die Veröffentlichung des Buches im Jahr 1950 und in den folgenden Jahren äußerst heftig. Doch wenn es sich nur um ein Hirngespinst handelte – warum war die Reaktion dann so aggressiv?
Es gibt ein weiteres Buch, das ich immer wieder gerne lese. Darin wird erklärt, dass gierige und selbstsüchtige Menschen oft zynisch reagieren, wenn es darum geht, Fakten über vergangene Kataklysmen zu akzeptieren. Mit ihrem beißenden Humor versuchen sie, den allgemeinen Konsens auf ihre Seite zu ziehen – in der Hoffnung, dass niemand mehr darüber spricht. Dieses Verhalten ist ein bewusstes Ignorieren von Tatsachen.
Spott ist also ein Symptom einer Gesellschaft, die nicht mehr in der Lage ist, die Wahrheiten unter dem großen Teppich der Mythen zu kehren – und stattdessen verzweifelt versucht, sie abzutun.
Wenn wir uns endlich erinnern, dann erscheint das Bild vom Ganzen im Inneren und im Äußeren. Dann werden die Zeichen sichtbar für alle.